arbeitsphase - gesprächsnotizen
es geht um die frage nach der ausstellung. welche objekte, bilder sollten ausgestellt werden? wie können sie konzipiert werden? wenn die stücke im laufe der performance zerstört, verändert oder transformiert werden, hat das dann auswirkungen auf ihre formale konzeption? das heißt, gibt es einen prinzipiellen unterschied zwischen arbeiten die von vornherein einem prozeß der veränderung zugedacht sind und solchen, die auf einen geplanten, konzipierten, eindeutigen endzustand entworfen werden? prinzipiell denke ich, dass dieser unterschied irrelavant ist, da ich im künstlerischen schaffensprozeß von der unbestreitbaren tatsache ausgehe, dass arbeiten nie "fertig", nie "endgültig" und () auch nie "ewig" sind. dies hat () prinzipielle philosophische und erkenntnistheoretische gründe. unsere erkenntnis von gegenständen ist eine erkenntnis unter den bedingungen von raum und zeit (kant) und insofern vorläufig. es gibt keine erkenntnis von gegenständen unter dem gesichtspunkt der beständigkeit. beständigkeit, festigkeit, dauerhaftigkeit sind pragmatische abstraktionen, welche unsere alltägliche handlungsfähigkeit erleichtern, aber keine tatsächlichen eigenschaften von dingen darstellen. es ist daher von meinem standpunkt aussichtslos sich in der kunst auf dauerhaftigkeit oder endgültigkeit von kunstwerken zu berufen. der verfall ist immanenter bestandteil jeder dinghaftigkeit und so auch jedes kunstwerkes. sollte ein kunstwerk dauerhaftigkeit oder ewigkeit ausdrücken wollen, so kann dies nie auf der ebene der materialität des kunstwerkes geschehen. doch welche andere eben steht uns zur verfügung? keine, wie ich meine. deshalb kann im kunstwerk dauerhaftigkeit, einzigkeit ganz im sinne heraklits nur durch die sichtbarmachung seiner vergänglichkeit geschehen. damit ist der oben angesprochene unterschied in der konzeptionellen gestaltung der papierarbeiten für die ausstellung meines erachtens hinreichend beantwortet: der unterschied ist fiktiv. sowohl das auf einen fertigen status hin konzipierte werk ist derselben art von vergänglichkeit unterworfen, wie das auf absichtliche de- oder transformation hin gedachte werk.
ein weiteres problem betraf den zustand der ausstellung nach der performance. ist dieser zustand, der durch verschiedene zufälligkeiten im prozeß der teilweisen zerstörung oder transformation zu einem absichtlosen, unvorhersehbaren endzustand führt, eine ästhetisch befriedigende ordnung oder ist es der wüste zustand eines ungeplanten chaos? mit anderen worten, liegt der ästhetische wert eines kunstwerkes immer in der planenden, absichtsvollen geste des künstlers oder findet sich dieser ästhe-tische wert auch außerhalb einer subjektiven oder kollektiven ordnenden absicht? ich glaube mein argument mit heraklits auspruch "abfall von hingeschüttetem, die schönste welt." wurde nicht ganz ernst genommen. für mich ist dies aber geradezu eine maxime in meiner arbeit. sie stimmt auch voll-kommen mit den vom buddhismus beeinflußten ästhetischen idealen chinesischer und japanischer auffassungen vom schönen überein, die jede absichtlose ordnung für wesentlicher und mithin schöner erachten. ich bin überzeugt, dass jede zufällig entstande zusammenstellung von dingen, sei es ein gerümpelhaufen, ein eßtisch nach einer mahlzeit, ein unaufgeräumter schreibtisch, eine vollkommene ordnung zum ausdruck bringt. die künstlerische strategie besteht für mich in einer bewußten annähe-rung an jene absichtlosen handlungen, wie sie permanent die wechselnden ordnungen in unserer gesamten wahrnehmung erzeugen. insofern macht es für mich sinn, wenn zu beginn der ausstellung dinge mit der planenden künstlerischen absicht zu sehen sind, die am ende in den zustand der ungeplanten natürlichkeit übergegangen sind.
ein weiteres problem betraf die drei fiktiven ausstellerinnen. sollten in der ausstellung drei klar voneinander unterschiedene werkgruppen auszumachen sein, die den einzelnen fiktiven künstlerinnen zu-geordnet werden können oder sollte man ein einzelnes gesamtkonzept, das ein einheitliches bild von der ausstellung gibt, verwenden oder wäre es auch möglich, dass völlig verschiedene heterogene ausstellungsstücke zu sehen sind, die irgendwie den drei künstlerinnen zugeschrieben werden könn-ten. mein standpunkt dazu: für mich ist jede der drei varianten denkbar, vorausgesetzt dass sie gut ist. was immer das heißen mag. das war gleich ein weiterer diskussionspunkt: wie lassen sich völlig unterschiedliche vorschläge zur gestaltung der ausstellung unter einen hut bringen? ich vertraue dabei auf das künstlerische gewissen jedes einzelnen und denke, dass sich das anhand der konkreten raumsituation und den einzelnen vorschlägen lösen lassen wird. damit zusammen tauchte die frage nach der kompetenzverteilung auf. wer entscheidet letzten endes? die gesamtkompetenz für das projekt liegt sicherlich bei mir, das heißt die entscheidungen über das, was ich als echtzeittheater/performance allen als konzept vorgelegt habe, liegen bei mir. darüberhinaus gehe ich davon aus, dass die weiteren kompetenzen in den einzelnen bereichen (ausstellung, musik, rollenverteilung, dokumentation, einladung, etc.) sich nach dem engagement der einzelnen richtet.
ein sehr wichtiges problem wurde noch angeschnitten: alles ist schon gemacht worden, alles ist schon gesagt worden, besteht nicht die gefahr, einen öden aufguß von etwas bereits dagewesenem zu in-szenieren? die gefahr besteht, aber wir bestehen die gefahr. davon gehe ich zuversichtlich aus. einige argumente habe ich schon im briefwechseln mit stefan neuner dargelegt. ich möchte hier noch ein paar weitere hinzufügen. ich betrachte diese aktion als ein reales theaterstück, das seinen ausgangs-punkt an einer konkreten, alltäglichen situatuion (ausstellungseröffnung) nimmt. die ausstellungseröff-nung ist gewissermaßen kulisse für das theaterstück, aber sie ist nicht nur kulisse für das theaterstück, sonder gleichzeitig eine "echte" ausstellung. hier thematisiert sich die frage nach der echtheit in der kunst. wo verläuft die grenze zwischen der kulisse und der realität? eine intention dieses projektes ist es, diese grenze aufzulösen und somit eine reale verschränkung zwischen bildender und darstellender kunst zu erreichen. man mag darauf antworten, das ist bereits bei den events der 70iger jahre verwirklicht worden. das stimmt, genauso wie es stimmt, dass die simultanvorträge auf einer tradition der dadaisten beruhen. dennoch glaube ich nicht, dass es sich hier um reine nachahmung handelt. in diesem projekt werden strukturelle merkmale bestimmter historischer traditionen übernommen und in einen neuen zusammenhang gebracht. dieser zusammenhang sollte einen spannungsbogen vom anfang bis zum ende aufbauen, der zum staunen und zum zustand des permanenten fragens führt.